Grußwort von Bürgermeister Fehr vor dem Sinziger Stadtrat am 02.02.2023
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Geron, lieber Andreas,
sehr geehrte Damen und Herren des Sinziger Stadtrates,
es ist durchaus außergewöhnlich, wenn man als Bürgermeister ein Grußwort vor
einem anderen Stadtrat halten darf. Hier in Sinzig ist es jedoch bereits
Tradition, Bürgermeister der Nachbarkommunen zu einem Grußwort einzuladen.
Nachdem 2019 Björn Ingendahl, 2020 Guido Orthen und 2021 Hans-Günter Fischer
die Einladung erhielten, freue ich mich ganz besonders, Ihnen die Grüße aus der
Verbandsgemeinde Unkel heute persönlich überbringen zu dürfen. Damit die
Anwesenden auch wissen, wer ich bin, möchte ich mich zunächst kurz vorstellen
(also quasi der Werbeblock): Mein Name ist Karsten Fehr, ich bin seit 11 Jahren
Bürgermeister der Verbandsgemeinde Unkel, zu welcher die Ortsgemeinden
Rheinbreitbach, Erpel und Bruchhausen, sowie die Stadt Unkel gehören.
Gleichzeitig bin ich Vorsitzender der Kreisgruppe Neuwied des GStB und Vorsitzender
der nun auslaufenden LEADER-Region Rhein-Wied. Als dienstältester hauptamtlicher
Bürgermeister im Kreis Neuwied war ich auch Gründungsmitglied der SKSL²-Region,
gegen deren Fortführung Sie sich jüngst ausgesprochen haben.
Diese Entscheidung kann ich gut nachvollziehen, auch wenn sich der Unkeler Verbandsgemeinderat einstimmig für die Verlängerung ausgesprochen hat. SKSL² hat sicherlich nicht alle Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, die wir in dieses Projekt gesteckt haben. Außerdem müssen wir bei der Vielzahl von unterschiedlichsten Projekten die anstehen oder bei denen wir mitarbeiten darauf achten, dass wir uns nicht verzetteln. Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren und insofern bin ich froh, dass wir gemeinsam in der neuen LEADER-Region Rhein-Ahr zusammenarbeiten. Diese hat rheinübergreifend sehr viel Potential, welches wir zusammen nutzen werden.
Dennoch war SKSL² nicht umsonst. Erstmals haben sich die 11 Mitgliedskommunen gemeinsam an einen Tisch gesetzt, zusammen gearbeitet und Ideen entwickelt. Ja, man muss einräumen, dass hierbei bisher nicht viel Greifbares für die Öffentlichkeit herausgekommen ist. Aber es zählt nicht nur die Hard- sondern auch die Software. Durch SKSL² ist ein Netzwerk zwischen den Bürgermeistern aufgebaut worden, welches sehr wichtig für die ganze Region ist. Dieses gilt es unbedingt beizubehalten. Desweiteren würde es ohne SKSL² die neue LEADER-Region Rhein-Ahr nicht geben und weder Herr Kollege Geron noch ich wären auf die Idee gekommen, dass ich die VG Unkel bei meinem Grußwort als „Nachbarkommune“ der Stadt Sinzig bezeichnen würde – wenn ich hier überhaupt zu einem Grußwort eingeladen worden wäre…
Apropos „Nachbarkommune“: Laut einem Entfernungsrechner, den ich im Internet gefunden habe, liegen Sinzig und Unkel in der Luftlinie nur 6,68 km voneinander entfernt; die Fahrroute soll 12,02 km betragen.
Die „gefühlte“ Entfernung ist jedoch deutlich größer, da der Rhein nach wie vor eine sehr starke trennende Wirkung hat. Wenn ich „in meinem früheren Leben“ als Rechtsanwalt schonmal zum Amtsgericht Sinzig gefahren bin, musste ich ehrlich gesagt erstmal mein Navi einschalten, um dieses zu finden. Dies dürfte wohl den wenigsten von Ihnen anders ergehen, wenn ich Sie nach Rheinbreitbach in die Obere Burg einladen würde. Hieran gilt es zu arbeiten. Ich wünsche mir eine Partnerschaft, oder noch besser eine Freundschaft, zwischen unseren Kommunen - und vor allem zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern. Meine Tochter ist hier übrigens mit guten Beispiel vorangegangen: Sie hat einen jungen Mann aus Sinzig geheiratet, mittlerweile zwei Kinder mit ihm und lebt auch hier in Ihren schönen Stadt Sinzig. Die Sache mit dem Navi hat sich für mich also größtenteils erledigt…
Für das Zusammenwachsen unserer beiden Rheinseiten sehe ich auch den Bau einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke zwischen Remagen und Erpel, auf dem Fundament der ehemaligen „Brücke von Remagen“ als sehr wichtig an. Diese Brücke könnte ein Leuchtturmprojekt für unsere gesamte Region werden. Sie hat aufgrund ihrer Geschichte, aber auch im Zusammenhang mit ihrer Funktionalität und der Mobilitätswende / Klimawandel eine überregionale Bedeutung.
Geschichte wird vergessen: Erlebnis mit „Welt“-Reporter
Funktionalität: Zwar Fußgänger- und Radfahrerbrücke, aber keine Wackelpartie / Mutprobe wie Geierlay. 24/7 Verbindung (bei Hoch- und Niedrigwasser) die auch von Rettungsfahrzeugen genutzt werden kann. Verbindung Krankenhäuser Remagen – Linz kann lebensrettend sein
Mobilitätswende / Klimawandel: Fahrradfreundlich, auch für e-bikes mit immer größerer Reichweite. Darüber hinaus großer Mehrwert für den Tourismus in unserer gesamten Region.
Ich freue mich, dass die technische Machbarkeitsstudie für diese Verbindung unserer beiden Rheinufer über SKSL² finanziert wurde und hoffe auf Ihre weitere Unterstützung für dieses zukunftsweisende Projekt.
„Zukunftsweisend“ ist für mich auch die Struktur der Stadt Sinzig als verbandsfreie Stadt. Hier bin ich als Bürgermeister einer Verbandsgemeinde ehrlich gesagt schon etwas neidisch. Auch wenn Andreas Geron deutlich mehr Sitzungen „seines“ Rates zu leiten hat (ich habe pro Jahr durchschnittlich nur 4 Sitzungen des Verbandsgemeinderates Unkel), so ist das Führen einer verbandsfreien Gemeinde / Stadt doch deutlich effizienter und mit weniger Informationsverlust verbunden, als bei dem Modell der Verbandsgemeinde. In der VG Unkel mit vier verbandsangehörigen Gemeinden geht es ja noch, aber die VG Rengsdorf- Waldbreitbach im Kreis Neuwied hat 20 Ortsgemeinden und der VG Altenkirchen-Flammersfeld gehören 67 Ortsgemeinden an. Jede Ortsgemeinde hat ihren eigenen Ortsgemeinderat und Ortsbürgermeister. Und für jeden Ortsgemeinderat müssen die Ratssitzungen vor- und nachbereitet werden, die Haushalte aufgestellt und überhaupt Ratsmitglieder und Bürgermeister gefunden werden. Der hauptamtliche Bürgermeister dürfte die Mehrzahl der Hunderten von Mitgliedern „seiner“ Ortsgemeinden gar nicht persönlich kennen.
Anders sieht es in der kleinsten Ortsgemeinde Deutschlands (Dierfeld) aus, die „selbstverständlich“ auch in Rheinland – Pfalz liegt. Sie hat 9 Einwohner, aber auch einen eigenen Ortsbürgermeister und Gemeinde-rat. Dieser besteht aus 6 Personen: Der Frau des Bürgermeisters, seiner Schwester und vier polnischen Mitarbeitern. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob dort das Wahlgeheimnis tatsächlich immer gewahrt bleibt…
Doch komme ich zurück auf unsere Region und auf das Verbindende, was m.E. noch gestärkt werden sollte. Aber nicht nur durch die Politik (wenn dies auch ein wichtiger erster Schritt ist) sondern durch zwischenmenschliche Beziehungen. Es muss ja nicht immer direkt so weit gehen wie bei meiner Tochter …
Aber Sie haben hier wunderbare Feste, wie z.B. Ihren Veilchen-Dienstagszug, Ihr Stadtfest „Sprudelndes Sinzig“, die traditionsreiche Kirmes, den Weinherbst, den Mittelaltermarkt oder ihre beliebten Schlosskonzerte.
Unsere größeren Karnevalsumzüge in Unkel und Rheinbreitbach finden am Karnevalssonntag und Rosenmontag statt, in Erpel gibt es jährlich ein schönes Weinfest mit einem großen Umzug von toll geschmückten Wagen, in Rheinbreitbach wird jedes Jahr ein Parkfest gefeiert, kulturelle Veranstaltungen finden in der Oberen Burg statt - und die Erpeler Ley ist auch immer einen Ausflug wert.
Ich fände es toll, wenn es uns durch unsere neue LEADER-Region Rhein-Ahr auch gelänge, einen verstärkten Austausch zwischen den Menschen beidseits des Rheins hinzubekommen. Die Region hat auf beiden Rheinseiten so viel zu bieten, was vielen gar nicht bewusst ist. Ich lade Sie herzlich zur Mitarbeit bei LEADER ein, denn LEADER ist kein „Selbstzweck der Bürgermeister“, sondern lebt von den Ideen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort - wir Bürgermeister schaffen nur die Rahmenbedingungen und sorgen für die finanzielle Ausstattung. Wir freuen uns auf viele bunte Ideen aus der gesamten Bürgerschaft.
Vielleicht wird es den einen oder die andere wundern, dass ich in meinem Grußwort noch nicht auf die schreckliche Flutkatastrophe eingegangen bin, die im Juli 2021 über Sie eingebrochen ist und unermessliches Leid zur Folge hatte. Doch haben Sie die Katastrophe hautnah erlebt und kennen diese und die zu bewältigenden Folgen viel besser als ich. Worte von Außenstehenden gab es hierzu m.E. schon mehr als genug. Woran es nach meinem Eindruck fehlt, sind Taten, konkret: endlich unbürokratische Hilfen.
Ich bin stolz darauf, dass auch die Feuerwehren der VG Unkel hier vor Ort Hilfe leisten konnten und dass sich so viele Bürger in der VG Unkel durch ihr „Anpacken“ vor Ort und ihre zahlreichen Spenden solidarisch mit Sinzig gezeigt haben. Ich wünsche Ihnen im Namen aller Bürger*innen der VG Unkel weiterhin viel Kraft beim Wiederaufbau, weniger bürokratische Hürden und freue mich auf einen gegenseitigen weiteren Austausch mit vielen Menschen unserer schönen Region.